Gespräch inmitten der Werke von Tübke im Industrie- und Kunstmuseum Schönebeck (iMUSEt)

Im  Rahmen der Tübke-Ausstellung im Industriemuseum berichtet dessen Schüler über die Ausbildung bei dem Übervater der Leipziger Schule.

Ein bisschen merkwürdig ist es für den Künstler schon, sein verschollen geglaubtes Gemälde nach 30Jahren wiederzusehen.„Es läuft mir kalt den Rücken runter, wenn ich mein Bild heute betrachte“, sagt derMagdeburger Rudolf Pötzsch über sein  Gemälde vom Reformator Thomas Müntzer aus dem Jahr 1989.

Pötzsch war am Mittwochabend ins Schönebecker Industriemuseum gekommen, um im Rahmen der Tübke- Ausstellung übersein Studium bei dem Übervater der Leipziger Schule zu berichten. Und um sein eigenesBild nach so langerZeit endlich wieder zu sehen, das dort gezeigt wird.

Pötzsch hatte das Gemälde vonThomas Müntzer nach drei Jahren Arbeit kurz vor dem Fall derMauer fertigstellt.„Ich bin ein langsam-Maler“, erklärt der 68-Jährige den rund zwei Dutzend
Zuhörern im Schönebecker Industriemuseum fast schon entschuldigend. Das Gemälde war als Auszeichnung für den DDR-Kulturbund in Auftrag gegeben worden, der seinerzeit imSchloss
Großmühlingen residierte.Die Wende kam mit all ihren Wirren, dasSchloss wurde verkauft, der Kulturbund wandelte sich zum Kirchbauverein Großmühlingen ,und der brachte dasGemälde in
der Kirche Großmühlingen unter.

Thomas Müntzer unzumutbar?

Bis nach mehr als 15 Jahren entschieden wurde, dass  das Bild des Reformators und  Bauernführers Thomas Müntzer den Gläubigen nicht mehr zuzumuten sei. So bekam es vor zwei Jahren schließlich seinen Ehrenplatz im Clubraum des Industriemuseums und wurde anlässlich der aktuellen Tübke-Ausstellung erneut der Öffentlichkeit präsentiert.

Doch als Maler Pötzsch in einem Interview berichtete, dass das Bild verschollen sei, wurden die Schönebecker aufmerksam und luden den Tübke-Schüler ein, um bei der Tübke-Ausstellung über seinen alten Professor zu berichten. Wie es denn damals so war, in der berühmten Leipziger Schule. Vor allem Disziplin war gefragt.„Die forderte Tübke von seinen Schülern ein, und es hätte sich auch niemand getraut, bei ihm zu spät zum Unterricht zu erscheinen“, sagt Pötzsch. Doch darauf wäre auch niemand gekommen, schließlich seien die Schüler gerade zu versessen darauf gewesen, von dem Meister zu lernen. Fast schon wahnsinnig sei Werner Tübkes Arbeitspensum gewesen, auch ein bisschen zwanghaft.

Doch Tübke konnte wohl auch anders:„Man muss sich auch mal fallen lassen“,soll er gern gesagt haben und machte zum Geburtstag seiner Schüler schonmal 50 Ostmark fürSchnaps locker. Geraucht wurde im Unterricht sowieso und eben immer wieder auch getrunken. Künstler halt.

Die Zigaretten vergaß derMeister meistens, schnorrte bei den Schülern und signierte im Gegenzug dieZigarettenschachteln. Das Aktmodell kurz vor derRente.„Also57Jahr ealt“, ergänzt Pötzsch, als das Publikum zunächst nicht reagiert. Doch Tübke hätte niemals in die Arbeiten seiner Schüler hineingezeichnet. Stattdessen legte er ein weiteres Blatt auf die Fingerübungen seiner Schützlinge und zeichnete dort die Korrekturen ein. Wenn Tübke gut drauf war, signierte er auch diese Blätter. Drei Stück hat Pötzsch davon noch zu Hause. Eingerahmt.

Tübke fährt Mofa

Unvergessen auch der Moment, als Pötzsch den Professor auf seinem Moped nach Hause fuhr. Dort wollte er Farbpulver abholen.„Guckmal, Angelika, ich bin Mofagefahren“,soll Tübke seiner damaligen Frau stolz zugerufen haben.

Pötzsch selbst habe schon immer gemalt und gezeichnet, solange sich der gebürtige Leipziger erinnern kann. Schon im Alter von15 Jahren bekam er einen Termin beim Künstler WolfgangMattheuer. Der fand die Arbeiten offenbar „ganz beachtlich. Und so konnte der Jugendliche seine ersten Zeichenkurse belegen. Pötzsch machte sein Abitur und eine Ausbildung zum Drucker.Doch das Ziel Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig war für ihn immer klar  und wurde schließlich auch von den Eltern „zähneknirschend“ akzeptiert. Pötzsch studierte bis1 975 beiHans Mayer-Foreyt, Rolf Kuhrt, Arno Rink und eben Werner Tübke. Nach dem Studium zog es ihn nach Magdeburg, „der Liebe wegen“, wo er als freischaffender Künstler arbeitete.

Geht es nach Pötzsch, war  das Künstlerleben zu DDR-Zeiten einfacher. Bei allen öffentlichen Bauten sprangen immer  auch genügend Aufträge für seine Zunft ab, im Gegensatz zu heute. Zensur und Vorgaben habe er nicht gespürt. „Wir konnten malen, was wir wollten“, sagt Rudolf Pötzsch. Auch heute spüre er durch privaten Auftraggeber keinen Druck. Er werde schließlich engagiert, weiler so male, wie er malt. Da habe man ihm immer freie Hand gelassen.Und bei Porträts sehen dieLeute sowieso so aus, weil sie eben aussehen. Daran könne auch ein Künstler nichts ändern. Mit seinem ProfessorTübke  habe er zudem immer harmoniert. Anders  wäre es auch nicht  gegangen. Man eiferte ihm nach. Einen jungen Wilden habe es damals hingegen nicht gegeben.

Der Künstler selbst getauft, konfirmiert, doch zum Zeitpunkt des Schaffens bereits aus der Kirche ausgetreten, interpretiert den Reformator als Visionär Gottes. Der Revolutionär imBauernkrieg, radikaler als Luther, von dem er sich abgrenzte. OhneBuch, nur mit ein paarTexten in derHand, wird Müntzer dargestellt, der sich am Menschen orientierte und weniger an der Bibel. Der die Ständegesellschaft mit  dem Bauern auf der unterstenStufe hinweg fegen wollte und dabei gescheiter  ist und fürs einen Aufstand hingerichtet wurde. So ein Gemälde kommt nicht ohne intensive Recherche aus und lässt sich für Pötzsch auch nicht  in wenige Worte fassen.

Der Künstler malt auch heute noch. An der Volkshochschule gib ter ein paar Kurse. Bei seinem Vortrag im Industriemuseum naget ihn der Vereinsvorsitzende Georg  Plenikowski auch noch gleich fest,Im nächsten Jahr mit eine reigenen Ausstellung nach Schönebeck zurückzukehren. Das mache er gern ,verspricht Rudolf Pötzsch.

Quelle: Jan Iven, Volksstimme 16.08. 2019

 

Werner Tübke ist Mitbegründer der angesehenen Kunstrichtung „Leipziger Schule“ (Mattheuer, Heisig)  und Schöpfer des weltweit für Aufsehen sorgenden 120-Meter-Panorama-Gemäldes „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“ in Bad Frankenhausen. Die ersten Schritte seiner künstlerischen Laufbahn ging der Maler in Schönebeck an der Elbe und auch dieser Teil seines Schaffens wird in der Ausstellung im iMUSEt widergespiegelt. Bei dieser aktuellen Exposition in Schönebeck handelt sich deshalb schlichtweg um ein Ereignis von exzellentem kulturellem Rang.

Erklärung zum Müntzer-Bild vor interessiertem Publikum

Nun sorgt iMUSEt für zwei weitere Highlights im Rahmen der Werner Tübke – Ausstellung. Am Mittwoch, den 14.8.2019 findet im iMUSEt um 18 Uhr ein Podiumsgespräch mit Rudolf Pötzsch aus Magdeburg zum Thema „Ein Tübke-Schüler berichtet über sein Kunststudium“ statt. In der derzeitigen Werner-Tübke-Ausstellung ist schon ein Ölgemälde von Rudolf Pötzsch zu bewundern, das Thomas Münzer thematisiert. Wir erwarten vom künstlerischen Zeitzeugen interessante Einblicke in die Arbeit der Künstlergemeinschaft um Werner Tübke aus der Arbeit in Bad Frankenhausen und aus seinem eigenen künstlerischen Schaffen.

Quelle: schoenebeck-elbe.net